SCHIENE regional - Bahnthemen Südwest© 2005 Frank-D. Paßlick - www.posten60.bswb.de Elektrifizierung der SchwarzwaldbahnDruckversion jetzt auch im "pdf-Format" Teil 2: Der Kampf in Granit und Gneis75 000 m³ Fels für 100 mm² Kupferleitung?
Elektrifizieren ist ja ganz einfach: Fundamente gründen für die Fahrleitungsmaste, Maste setzen, die Ausleger mit den Seitenhaltern montieren, Kettenwerk aus Fahrdraht, Tragseil und Hängern daran befestigen und die Fahrleitung abspannen.
Dann muss nur noch in geeigneter Weise die elektrische Energie eingespeist werden - fertig.
Eng geht es zu im 835 m langen Die Darstellung des Aufwands, der bei der Elektrifizierung der Schwarzwaldbahn getrieben werden musste, könnte ein ganzes Buch spielend füllen. Allein auf der 86 km langen Strecke zwischen Offenburg und Villingen, dem ersten Bauabschnitt, hatten 36 der 37 Tunnel mit einer Gesamtlänge von 9.549 m ein unzureichendes Profil, um die Fahrleitung aufnehmen zu können. Eine Profilaufweitung musste in der Höhe um 50 bis 60 cm, aber in einzelnen Fällen auch in der Breite um einige cm erfolgen. Bei 35 Tunnel wurde die fehlende Höhe durch Absenkung der Tunnelsohle erreicht, nur im Kleinen Triberger-Tunnel musste das Gewölbe aufgeweitet werden. Da mit den Arbeiten der Sohlenabsenkung die Entfernung der Gleise verbunden war, wurde bei dieser Gelegenheit auch der Gleismittenabstand von 350 cm auf 360 cm verbreitert. Dadurch kam es zu Nebenarbeiten in den Tunneln, wie auch durch die Abdichtung des Gewölbes gegen eindringendes Wasser. Dass tropfendes oder gar fließendes Wasser im Tunnelgewölbe eine unmittelbare Gefahr darstellt, zeigen die Versuche mit "Eiszapfenbrechern" oberhalb der Führerstandsfenster der V200. Im Herbst 1957 hat man diese Schutzvorrichtungen, von Eisenbahnern als "Geweih" betitelt, im BW Villingen oberhalb der Frontfenster angebracht, nachdem im ersten Einsatzwinter der V200 auf der Schwarzwaldbahn viele Scheiben durch Eiszapfen zerborsten waren. Offensichtlich war der Versuch erfolglos, denn die Gestelle verschwanden im Frühjahr 1958 wieder. Die Ursache der Eiszapfenbildung wurde durch Ver- siegelung mittels synthetischer Dichtmasse und Einspritzung von Beton vermindert. Gleichzeitig wurden auch schadhafte Stellen im Gewölbe durch Ausbesserung des Mauer- werks oder durch den Einbau armierter Betonschichten vorgenommen. Alle Baustoffe konnten selbstverständlich nur auf der Schiene an die Baustelle gebracht werden.
Nach starken Regenfällen oder bei der Schnee- schmelze bahnt sich das Wasser seinen Weg durch's Gestein und tritt, wie hier im Großen Triberger Kehrtunnel (835m), "zutage."
Eingezwängt zwischen dem Bahnhof und dem Übergang der alten B 500 auf der einen, sowie der Brücke über den Nußbach und die B 33 auf der anderen Seite konnte, wie weiter oben bereits erwähnt, eine Sohlenabsenkung im Kleinen Triberger-Tunnel nicht durchgeführt werden. Es blieb daher nur der aufwändige Weg einer Gewölbeaufweitung. Eine Darstellung des technischen Aufwands dieser Maßnahme ist im Triberger Heimatkunde-Museum zu finden. Der Tunnel ist zwar nur 92 m lang, aber es befindet sich eine Überleitweiche des oberen Bahn- hofskopfs darin. Die Aufrechter- haltung des Betriebs wurde dadurch erschwert. Bild nach Vorlage DB-Archiv / pa Die Rahmenbedingungen für die Bauarbeiten stellten große Anforderungen an die planenden und ausführenden Ingenieure, die eine Vielzahl technischer, logistischer und betrieblicher Probleme zu lösen hatten. Der Bau der Schwarzwaldbahn lag nun bereits 100 Jahre zurück. Manche Fehleinschätzung bei der Planung hätte vermieden werden können, wenn der Erfahrungsschatz aus der Bauzeit noch verfügbar gewesen wäre. Der Aufwand für den Abtrag von 75 000 m³ Gestein war um Dimensionen unterschätzt worden. Das vorgesehene technische Gerät biss sich im wahrsten Sinn des Wortes die Zähne am Triberger Granit aus, durch den vor 100 Jahren die Tunnel durch kleinräumige Sprengungen und hohem manuellem Einsatz der Arbeiter getrieben worden waren. Auch jetzt mussten die Mineure wieder ihre Löcher bohren und durch Sprengungen den Abtrag ermöglichen. Ähnliche Probleme traten auch bei der Gründung der Fahrleitungsmaste auf. Statt mit den üblichen Bohr- und Rammgeräte konnten die Fundamente im Bereich des Granits nur unter Einsatz des Presslufthammers ausgeschachtet werden. Vielfach mussten diese Arbeiten an unzugänglichen Steilhängen ausgeführt werden. Diese unerwarteten Probleme ließen nicht nur den Zeitplan wackeln, sondern auch die Kosten explodieren. Die Elektrifizierung erfordert eine logistische MeisterleistungDie wesentliche Einschränkung für die Bauarbeiten ergab sich allerdings nicht durch technische Anforderungen, sondern eher durch logistische. Der Zugbetrieb auf der Schwarzwaldbahn musste mit möglichst geringen Einschränkungen in Umfang und Qualität während der gesamten Bauzeit aufrecht erhalten werden. Doch damit nicht genug: besonders im heiklen Bergabschnitt mit dem größten Bauaufwand waren die Baustellen nur über die Schiene erreichbar. Zum planmäßigen Zugverkehr kamen eine Vielzahl von Bauzügen mit ganz unterschiedlichen Frachten: alle aus- und später wieder einzubauenden Gleise, weit über 100 000 t Schotter, über 200 000 t Fels und Abraum, die Straßenfahrzeuge mit Fertigbeton, welche an geeigneten Stellen auf Niederbordwagen verladen und zur Baustelle gefahren wurden, alles sonstige Material, von Fahrleitungsmaste bis zu Abwasserschächten.
In einem schwer zugänglichen Felseinschnitt liegt die Überleitstelle Schlossberg (unterhalb der hoch auf dem Felsen stehenden Ruine des Schlosses "Alt-Hornberg").
Ähnliche Überleitstellen befinden sich auf der Rampe bis Sommerau noch im Bereich des ehemaligen Bf Niederwasser und beim ehemaligen Bk Seelenwald.
Gelöst wurde die Aufgabe durch die Einteilung der Bauarbeiten in zehn zeitliche Phasen auf fünf Abschnitten und der Maßgabe, dass zwischen den Bauabschnitten mindestens zwei Überleitstellen vorhanden sein müssen. Nur dadurch konnten fahrplanmäßige Züge zwischen den Bauabschnitten kreuzen. Die Überleitstellen standen bereits seit dem zweigleisigen Ausbau zur Verfügung: Bf Hornberg, BK Schlossberg, Bf* Niederwasser, Bf Triberg, BK Seelenwald, Bf* Nußbach, Bf* Sommerau (*zum Zeitpunkt der Elektrifizierung, inzwischen aufgelassen). Vielfach mussten zwischen diesen Überleitstellen zusätzliche Bauweichen eingesetzt werden, um z.B. Bauzügen den Rückzug vom Streckengleis zu ermöglichen. Die drei mit der Elektrifizierung des ersten Abschnitts beauftragten Unternehmen, Siemens (Offenburg - Hausach), BBC (Hausach - Sommerau) und AEG (Sommerau - Villingen), überspannten 205 km Gleis mit Fahrleitungen. In den Abschnitten von Offenburg bis Hornberg, sowie zwischen Sommerau und Villingen wurde die Bauart RE 160 (Regelfahrleitung für bis zu 160 km/h) eingesetzt. Auf der Rampenstrecke reichte die einfachere RE 100, deren "härtere" Stützpunkte bei den gefahrenen 70 km/h keine Nachteile bringen. Deutlich sichtbares Unterscheidungsmerkmal sind die Y-Beiseile an den Stützpunkten. Die Hänger, an denen der Fahrdraht aufgehängt wird, sind dabei nicht unmittelbar am Tragseil befestigt, sondern an besagtem Beiseil.
Klobige Maste aus Schleuderbeton an der Schwarzwaldbahn im unteren Kinzigtal, hier bei Gengenbach. Dem fotografierenden Eisenbahn- freund fallen aber viel mehr die verschiedenen Mastarten auf. Im Kinzigtal wurden die im Bild eher klobig erscheinenden Betonmaste verwendet, auf der Bergstrecke die filigraneren Stahlgittermaste. Die Schwarzwaldbahn hat aber auch eine Vielzahl von Maste in Sonderbauformen zu bieten. Über felsigen Steilhängen werden an mehreren Stellen, statt der üblichen Betonfundamente, seitliche Ausleger angebracht, worauf die Fahrleitungsmaste profilfrei aufgeschraubt sind. Während auf "normalen" Strecken die Kettenwerkwechsel (Übergang von einem Fahrdraht/Tragseil auf den nächsten an den Enden der Abspannstrecken) beliebig vorgenommen werden können, stellt die tunnelreiche Strecke erhöhte Anforderungen an die Fahrleitungsplaner. Da sind sehr kurze dreifeldrige Kettenwerkwechsel ebenso vorhanden, wie lange fünffeldrige. Auch die Abspannungen werden situationsabhängig sehr unterschiedlich ausgeführt. Am Ostportal des Niederwasser Kehrtunnels steht ein Abspannmast nur 12 m vom vorherigen Stützpunkt entfernt. Am Südportal des Sommerberg-Tunnels erfolgt die Abspannung der Fahrleitung des Richtungsgleises nach Triberg am Tunnelportal. Die Abspanngewichte sind wegen der Raumbegrenzung sehr schlank ausgeführt. Die Aufzählung der Besonderheiten könnte beliebig fortgesetzt werden. Um die Aufhängung des Fahrdrahts einer Abspannlänge in den wenigen Stunden der nächtlichen Betriebsruhe oder verlängerten Zugpausen tagsüber durchführen zu können, war eine exakte Berechnung und Vorjustierung der Ausleger und Seitenhalter vorzunehmen. In besonderem Maße galt dies für die vielen Stützpunkte in den Tunneln. Diese wurden zwar von der Mitte her, aber mit Versatz zum Nachbargleis, realisiert. Jeder Seiten- halter musste dazu separat geplant (Freihaltung des Profils des Nachbar- gleises) und vorgefertigt werden.
RE 4109 verlässt am 18. Mai 2005, geführt von 110 454-6, den Sommerberg-Tunnel. Besonders gut ist die Ausführung des Stützpunktes der Fahrleitung im Tunnel erkennbar.
Rechts am Portal ist die Ab- spannung mit schmalen Gewichten erkennbar.
Am unteren Portal des Niederwasser Kehrtunnels können gleich drei Besonderheiten beobachtet werden: Links steht ein IPB-Träger als Abspannmast, wobei das Übersetzungsrad des Tragseils an einer seitlich angeflanschten Halterung befestigt ist.
Nachdem alle Hängesäulen eines Abschnitts an den Tunnelgewölben verschraubt und die Ausleger montiert waren, konnten die Seitenhalter justiert werden. Anschließend wurde das Tragseil eingezogen und daran die Hänger (an denen der Fahrdraht zwischen den Stützpunkten am Tragseil hängt) befestigt. Diese Arbeiten lassen sich weitgehend auch in kürzeren Sperrpausen durchführen. Die bekannten und damals noch beim Fahrleitungsbau üblichen Leitern auf einem Fahrgestell, die bei Zugfahrten von vier Arbeitern aus dem Gleis gehoben werden können, waren allerdings auf der Bergstrecke nicht einsetzbar. Es gibt schließlich kaum Stellen, an denen das Gerät profilfrei neben das Gleis gestellt werden könnte. Eingesetzt wurden daher die Turmdieseltriebwagen TVT 701 (dem BW Villingen waren vorübergehend bis zu sechs dieser Fahrzeuge zugeteilt worden). Diese konnten sich flink aus der Baustelle zurückziehen, aber auch die Arbeitsbereitschaft sehr schnell wieder herstellen.
Verglichen mit dem Streckenabschnitt zwischen Gut- ach und Sommerau war die Elektrifizierung zwischen Offenburg und Gutach und zwischen Sommerau und Villingen eine Routineangelegenheit. Rechtzeitig zum Fahrplanwechsel im Herbst 1975 konnten die Arbeiten abgeschlossen und die technische Abnahme am 25. August durchgeführt werden. Bereits am folgenden Tag wurden Probefahrten durchgeführt und am 28. August führte 139 137 den Eröffnungszug mit geladenen Gästen von Offenburg nach Villingen. Dort wurde die Gedenktafel "10.000 km ELEKTRI- FIZIERT - Deutsche Bundesbahn" enthüllt, die auch heute noch am Hausbahnsteig zu besichtigen ist. Nach der Eröffnungsfahrt am 20. September 1977 von Offenburg nach Konstanz, geführt von 139 314-9, konnte zum Fahrplanwechsel fünf Tage später der planmäßige Betrieb unter Fahrdraht auf der Gesamtstrecke aufgenommen werden. Mehr dazu finden Sie unter "Elektrische Traktion auf der Schwarzwaldbahn". Doch die eigentliche Elektrifizierung einer Strecke, auch wenn sie sich so aufwändig gestaltet wie bei der Schwarzwaldbahn, wird erst durch die Einspeisung der elektrischen Energie nutzbar gemacht. Talseitig bot sich eine Erweiterung des Unterwerks Offenburg an. Eine weiter Einspeisung, aus technischen Gründen sinnvoll zwischen km 50 bis 60, wurde beim Bahnhof Sommerau (km 68,6) realisiert. Für die Errichtung eines Unterwerks mit zwei 10 MVA- Umspannern (Transformatoren von 110 kV auf 15 kV Fahrleitungsspannung), erfordert ein geeignetes ebenes und für Schwertransporte zugängliches Gelände. An der Bergstrecke zwischen Hornberg und Sommerau stand dieses nicht zur Verfügung. Die Folgen der Verlängerung der Versorgungsabschnitte sind allerdings mit zunehmender Belastung bis heute zu tragen. Während der Bauarbeiten an der Gäubahn im Sommer 2005 kam es zu Betriebsstörungen durch unzulässig hohen Spannungsabfall im Fahrdraht, als mehrere schwere Umleiter-Güterzüge gleichzeitg die Rampenstrecke befuhren. Dichte Zugfolgen sind zwar signaltechnisch ohne weiteres möglich, energietechnisch allerdings sehr problematisch. Glücklicherweise wird die Leitungsbelastung mit Blindströmen durch den Einsatz neuer Lokgenerationen mit frequenzgesteuerten Drehstromantrieben gemildert. Dafür ist aber die Leistungsfähigkeit dieser Loks, und damit auch ihre Wirkleistungsaufnahme, größer als bei den Vorgängern. Im Rahmen der Arbeiten zur Elektrifizierung wurden auch neue Kabelkanäle und darin Fernmelde- und Signalkabel verlegt. An wenigen Stellen der Schwarzwalbahn, so vor dem 1. Glasträger-Tunnel, können noch Reste der alten "Telegraphenleitungen" entdeckt werden, die seit 1975 weitgehend verschwunden sind. |
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Streckenmeldungen Schwarzwaldbahn: KBS 720 Offenburg - Singen |